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»Resistance through Rituals«

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Vor einigen Tagen hatten wir hier bereits auf den Film »Mods. Alles eine Frage des Stils« von Thorsten Jeß hingewiesen, der nun auch online verfügbar ist. Einige Anmerkungen zu der Doku über Hamburger Mods der 80er Jahre von Roger Behrens.

1. Die Mods
»The mod’s adoption of a sharp but neat and visually understated style can be explained only partly by his reaction to the rocker’s grandiloquence. It is partly explained by his desire to do justice to the mysterious complexity of the metropolis in his personal demeanour, to draw himself closer to the Negro whose very metabolism seemed to have grown into, and kept pace with that of the city. It is partly explained by his unique and subversive attitudetoward the commodities he habitually consumed.« Dick Hebdige, »The Meaning of Mod«1

Mods, als Abkürzung für Modernists, sind eine der wesentlichen Jugendsubkulturen, die in den britischen Großstädten der Nachkriegszeit ungefähr um neunzehnhundertsechzig entstanden. Modern zu sein behaupteten sie gegenüber der Elterngeneration, die als Sieger über Nazideutschland zwar aus dem Krieg zurückgekommen war, nun aber kulturell in eine Lethargie verfiel, die sich im – sei’s auch nur versprochenem – Wohlstand der konsumistischen Überflussgesellschaft eingerichtet hatte: Mods setzten gegen den elterlichen Rückzug in die Bequemlichkeit des Privaten, in den Feierabend der Väter und das Hausfrauendasein ihrer Mütter, kurzum gegen die Gemütlichkeit der Kleinfamilie eine praktisch gewordene Lebenskunst, den Stil, genauer: den Lebensstil als reflektiertes Statement, in der Selbstinszenierung als modern zugleich auch modisch zu sein, und umgekehrt in der Mode den Beweis für die Modernität der Haltung auszudrücken. Hauptsächlich orientierten sich die Mods an den Aufstiegsphantasien der Angestelltenkultur, suchten ihre Leitbilder im Pop beziehungsweise der U.S.-amerikanischen (und das hieß damals internationalen) Massenkultur (Jazz, Kino, Trivialliteratur – zum Beispiel Ian Flemings »James Bond«). Mods waren die erste Jugendsubkultur, die ihre nonkonformistische Haltung im konformistischen Stil realisierten; die Jungs und Mädchen traten anders als etwa die Rocker gepflegt und adrett, also alltags‑ und bürokompatibel auf, praktizierten mit ihrer Mode eine Strategie der Überaffirmation.2 In den sechziger Jahren kamen die Mods dann ins Blickfeld der sich gerade konstituierenden Cultural Studies, galten als nachgerade exemplarisch für die theoretische Konzeption der Cultural Studies. Stuart Hall, John Clarke, Tony Jefferson und andere nannten das »Resistance through Rituals« – im Kontrast zur politischen Praxis der alten Arbeiter‑ und neuen Studentenbewegung.3

Noch einmal Dick Hebdige: »The consumer rituals were refined and multiplied ad infinitum and came to involve the use of commodities directed specifically at a mod market by a rapidly expanding pop industry. Dress was no longer innovative – nobody ›discovered‹ items like levi jeans or hush puppies any more. Style was manufactured from above instead of being spontaneously created from within.«4

In der Entwicklung von Jugendsubkulturen gibt es allerdings »Ungleichzeitigkeiten«, die Ernst Bloch schon in der bürgerlichen Alltagskultur des ausgehenden neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts beobachtete. Die Entwicklung der Mods ist dafür paradigmatisch, und zwar gerade wegen der für diese Subkultur spezifischen Ambivalenz einer (symbolischen) Praxis von Integration und Desintegration, eine Ambivalenz schließlich, die vom Mod eine permanente stilistische Selbstverortung verlangt: Nicht nur in Abgrenzung zu Eltern, anderen Jugendlichen (Rocker etc.) oder überhaupt der Gesellschaft (Schule, Büro, Fabrik etc.) und dem Staat (Schule, Polizei etc.), sondern vor allem im dynamischen Konflikt mit einem Markt, der im Verlauf der Sechziger sich mehr und mehr flexibel zeigt, den subkulturellen Stil nicht nur als Mode anzubieten, sondern diese Mode als subkulturellen Stil auch selbst herzustellen.5 (Das bedeutet im wesentlichen Kommodifizierung im Pop: dass die Konsumenten am Spektakel der Warenproduktion aktiv teilnehmen, indem sie die Ware selbst zur »Kultur«, also in einen Lebensstil verwandeln, während eben dieser damit spektakulär erzeugte Lebensstil als gesellschaftliches Verhältnis passiv ist – Herbert Marcuse hat das in »Der eindimensionale Mensch« beschrieben).

Solche Ungleichzeitigkeiten erfordern buchstäblich als permanente stilistische Selbstverortung, immer wieder Nischen schaffen zu müssen, um diese als subkulturelle Räume zu besetzen. Das passiert im Pop allerdings nur scheinbar gegen den Markt; tatsächlich ist das eine Strategie, sich als »Individuum« (als Mod, Jugendlicher, Subjekt, Monade, Akteur etc.) letztendlich innerhalb des Marktes – produzierend, handelnd, transportierend und konsumierend – zu positionieren: Straßen, Plätze, Ecken zum Abhängen, Kneipen, Geschäfte, Kaufhäuser, Plattenläden, Clubs oder, wie dann im Fall der Mods, die Seebäder der britischen Südküste sind Räume solcher stilistischen Selbstverortung.

In den sechziger Jahren hatte sich bereits in den britischen Metropolen, vor allem im »Swinging London«, eine Subkulturökonomie als Popkulturindustrie etabliert, die dann schnell auf die Diversifizierung der Moden in den Siebzigern reagieren konnte: Pop und Rock waren nur noch vage Referenzmarken eines um Punk, Reggae, Ska, Hardrock, Disco, New Wave, Metal, HipHop etc. ständig erweiterten Feldes. In den einzelnen Jugendsubkulturen kam es zu Binnendifferenzierungen und Reformierungen, auch Politisierungen in alle möglichen Richtungen spielten eine Rolle (Rock against Racism, Postpunk und Anarchismus, Faschisierung der Skinheads durch die National Front etc.).

Gleichwohl gab es bei den britischen Mods bis in die frühen Achtziger hinein Kontinuitäten, die es anderenorts für diese Jugendsubkultur nicht gab: Hamburg etwa hat zwar gerade die britische Popkultur der Sechziger damals, um neunzehnhundertsechzig, entscheidend mitgeprägt,6 doch blieb die Entwicklung von Jugendsubkulturen hier in der Hafenstadt sporadisch und peripher (es gibt eben keine echte Linie vom Star Club über die Palette zum Grünspan, Onkel Pö, über die Fabrik, zum KIR, zurück zum Grünspan, vom Onkel Otto bis zum Heinz Karmers Tanzcafé, Astra Stube und heute Pudel…). Mit anderen Worten: Das Revival der Mods in Hamburg und Umgebung, das Thorsten Jeß in seinem fulminanten Film von 1985 vorstellt, ist paradox eigentlich gar keins, denn die Mods waren damals, Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger ein alltagskulturell-szenemäßig neues Phänomen, zumindest für mich, der die damalige Zeit im Pubertätsrausch und dazugehöriger, im kleinbürgerlichen Privatismus verpackter Adoleszenzprobleme miterlebt hat.

2. Der Film
Die Zeit

Die so genannten geistig-moralische Wende ist im vollen Gang; die Reaganomics und der Thatcherismus haben die Bundesrepublik erreicht, der Realsozialismus steht ökonomisch und nunmehr auch ideologisch unter Druck: 1979, das Jahr, in dem der Film »Quadrophenia« in die Kinos kommt, erscheint die für das kanadische Bildungsministerium angefertigte Auftragsarbeit des französischen Philosophen Jean-François Lyotard »La Condition postmoderne«, dt. später unter dem Titel »Das postmoderne Wissen« veröffentlicht. Es geht um die gesamtgesellschaftlichen Veränderungen, die letzthin durch den wachsenden Einfluss der Mikroelektronik bedingt sein werden. Lyotard schreibt hier weitgehend antizipierend, der PC beginnt gerade erst seinen Siegeszug; und in Jeß’ Dokumentarfilm sieht man davon freilich noch nichts. Hier ist die kulturelle Welt, die technische Sphäre der Sozialisation noch durch Kassetten definiert, an den Wänden hängen moderne Trägersystemregale, gleichzeitig gibt es in den Kitsch herabgesunkene Poptapeten. Die Kulisse sieht ein wenig so aus, als wäre der röhrende Hirsch durch die Szenerie von Kubricks »Clockwork Orange« gelaufen. Postmodern ist das von den Mods, den Modernisten, vermittelte Lebensgefühl aber trotzdem: Sie sind mit den Mitteln der Mode auf der Suche nach der verlorenen Zeit, wollen die Geschichte – ihre Geschichte – retten, die sie allenthalben mit der Mode selbst verwechseln: Ursprung ist das Ziel, sie wollen zurück in die Sechziger, agieren dabei als Historisten der Popkultur, und zwar nach dem Ende der Großen Erzählung, wie es Lyotard proklamiert. Die Hamburger Mods sind auf der Suche nach der kleinen Erzählung, auf der Suche nach der Anekdote, die ihnen zumindest das Gefühl der Authentizität gibt, oder wiedergibt. Dem entspricht das allgemeine Bild der Jugend Anfang der Achtziger: in der postmodernen Plastikkultur, in der sich längst schon sogar die Eltern mit Disco angefreundet hatten, mit dem Munich Sound und italienischen Euro-Pop, konnte Authentizität nicht mehr unmittelbar reklamiert werden (wie noch in den Siebzigern, über Hippie-Kultur und dergleichen). Jedoch: Aussteigen wollten die Mods nicht. Sie wollten nur ihre eigene Geschichte (aus reiner Gegenwart, wie es später bei Blumfeld heißen wird), um das Leben ihrer Eltern nicht ganz so aalglatt, wie man in Hamburg sagt, zu kopieren.

Was in Jeß’ Film mehrfach angedeutet wird und für die frühen Achtziger meines Wissens erstmals signifikant wird: Eine prosperierende Mittelschichtjugend (im Film: die Schüler) bekommt von den Eltern den subkulturellen Habitus bezahlt, den die – zunehmend in ihrer Erscheinung bedeutungslos werdende – proletarische Jugend (im Film: Lehrlinge, junge Gelegenheitsarbeiter und Angestellte) sich vom Lohn abringen muss.

Hier passiert das, was seinerzeit der junge Diedrich Diederichsen als semiotische Katastrophe diagnostizierte: Es gibt in den Jugendkulturen erstmals keinen Direktbezug mehr zu den materiellen Lebensverhältnissen, anders gesagt: die symbolischen Selbstinszenierungen verselbstständigen sich – und, das ist das Problem, bedeuten an sich nichts mehr. Das authentische Lebensgefühl gilt nur als eine Art narzisstischer Individualvergewisserung perfektionierter Wiederholung von Äußerlichkeiten; zum Beispiel – die Frisur.

Der Friseur
Was Jeß’ Dokumentation zeigt (und ähnliche Szenen gibt es im Übrigen in »Quadrophenia« zu sehen): dass der Pop-Lifestyle Anfang der Achtziger noch ortlos war und kaum über sichere, d h. »eigene« Räume verfügte; deshalb blieb er in seiner faktischen wie symbolischen Positionierung vakant und »unheimlich«. Alles, was einen zum Mod machte, musste man ständig bei sich haben.

Im Film sehen wir gleich zu Beginn, wie selbstverständlich, einen Mod-Jungen an der Nähmaschine. Es folgen weitere Szenen, wo derselbe Mod-Junge mit einem Freund in der Hamburger Innenstadt die Handarbeitsgeschäfte abklappert, beim Stoff‑ und Knopf-Kauf mit den biederen Verkäuferinnen fachsimpelt. Dann die Szene beim Friseur:

Erstens. – Damals gab es noch keine Szenefriseure, mit denen man (und das heißt eben auch Mann) tendenziell über den gemeinsamen Lebenstil auch den gemeinsamen Frisurengeschmack teilen konnte; der Friseur bot Handwerk und Dienstleistung, nicht Trendbewusstsein und Break‑’n’-Bossa‑ oder House-Hintergrundbeschallung.

Zweitens. – Der Mod diskutiert mit dem wohl beinahe dreimal so alten Friseur; beide sprechen aus völlig verschiedenen Perspektiven als Experten: Der Mod zeigt ein altes Foto einer Band. So will er seine Haare haben – wie in den Sechzigern. Der Friseur holt ein Album, in dem smarte Herren mit Fasson-Schnitt abgebildet sind, in Farbe. Heute, da ist sich der Friseur sicher, tragen das die jungen Leute so. Der subkulturell fachkundige Hinweis des Mods, dass das aber nur die Popper tragen, die Depeche Mode hören etc., prallt an der Expertise des Friseurs ab: Das habe mit Poppern nichts zu tun, und über kurz oder lang wird auch der Mod so herum laufen. Mit dem subkulturellen Wissen um Stil, Geschmack und Mode ist hier nicht viel zu machen. Der Friseur schneidet die Haare trotzdem nach den Wünschen des Mods; er ist schließlich der Kunde und bezahlt.

Drittens. – Die braune Holzvertäfelung des Friseurladens. Überhaupt sind alle Geschäfte, Kneipen und öffentlichen Räume mit dunklem Holz vertäfelt. Ich erinnere, dass man damals auch die Wohnungen gerne dunkel tapezierte oder in dunklen Farben strich (dunkelgrün, dunkelrot, dunkelbraun). Es wird gesondert zu untersuchen sein, wie sich in diesen Farbräumen Leute einrichteten, die einiges mit denen gemeinsam haben, die Benjamin für das neunzehnte Jahrhundert als Etui-Menschen beschrieb; ausstaffiert sind hier die Räume einer kurz vor ihrem Niedergang sich befindlichen Angestelltenkultur.7

Die Flucht
Soviel ist an der Generation Golf wahr: die Achtziger, nach der Ölkrise und dem »Ende des Goldenen Zeitalters« (Hobsbawm) in den Siebzigern, definierten sich mobilitätsideologisch durch einen Individualverkehr, der sich aus Zweit‑ und Kleinwagen zusammensetzte. Das Rennrad löste das Klapprad ab, alles wurde etwas schneller. Stadtflucht war das Ziel, ein Häuschen im Grünen, wenigstens eine Wohnung am Stadtrand. Für die Mods – damals eher mit der Vespa als mit der Lambretta unterwegs – war die Fluchtbewegung, wie im Film zu sehen, gegenläufig: zurück in die Stadt, nach Barmbek, wo die Freunde lebten, in die Schanze oder nach St. Pauli, wo die ersten Treffpunkte waren. Aber dann die Gegenbewegung: Travemünde und so weiter, die mondänen Klein‑ und Kurstädte an der Ostsee und Nordsee. Auch hier geht es zurück zum Beton: In der Szene, wo einer der jungen Mods mitten im Herbst vom Steg in die Wellen springt, sieht man eines der modernen wie mondänen Maritim-Hotel-Hochhäuser.

Die Mode
Der Film über die Mods Anfang der Achtziger zeigt auch: das Unzeitgemäße der kulturellen wie subkulturellen Entwicklungen. Jede Jugendkultur, jede Jugendsubkultur, eigentlich ohnehin jede Jugend kommt immer zu spät; und sie erscheint darüber hinaus immer obsoleter, je mehr sie behauptet, in den Stilen, Gesten und Zeichen ihres Jugend‑, ihres Jugendlich‑ und ihres Jungseins ihrer Zeit voraus zu sein.

Bei den Mods ist das tragisch, weil das proklamierte Voraus ja vollständig von der perfektionierten Wiederholung der Vergangenheit lebt; von einer Vergangenheit mithin, die so vergegenwärtigt eben noch gar nicht vergangen scheint. Sehr schön zeigt das der Film in der Vater-Tochter-Szene, und rekapituliert damit auch: die popkulturgeschichtliche Bedeutung Hamburgs, Star-Club, Beatles, Reeperbahn etc., die aber – und das ist bemerkenswert – in der Konstruktion der Mod-Identität der Tochter völlig gleichgültig bleibt.

Anders als die Generation des Vaters den Konflikt mit den Älteren und Erwachsenen noch an dem Spruch »Trau keinem über dreißig!« aufziehen konnte, heißt es für die Tochter und die Mod-Freunde Anfang der Achtziger: »Trau keinem über zwanzig!« Doch diese Logik ist nicht fortsetzbar. Das Ergebnis ist also nicht: »Trau keinem über zehn!« (auch wenn das gelegentlich in PR-Kampagnen für die konsumistische Bindung von Kinderkundschaft vermittelt wird), sondern: »Trau niemanden, nicht einmal dir selbst!«

Der Punk
Das ist die Postmoderne, wie sie in den Jugendsubkulturen der frühen Achtziger ankam: Aus dem philosophisch proklamierten Tod des Subjekts wurde die bis heute gültige, wenngleich bizarre Popstrategie, Selbstvertrauen durch die permanente Dekonstruktion des Selbstvertrauens zu gewinnen. Das kulturhistorische Modell dafür war nicht der Mod-Stil, sondern der Punk (und Punk konvergierte übrigens dann Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger mit u. a. auch dem Mod-Stil…).

Was allerdings die Mods von den Punks damals unterschied, Anfang der Achtziger, war ihre bewusste Apolitizität (und das meint nicht ein bewusstes politisches Nicht-Bewusstsein, sondern die bewusste Politik-ist-mir-doch-egal-Haltung, die sich etwa in den zahlreichen nationalen und militärischen Emblemen – vgl. die Deutschlandfahne auf dem Logo der Mods an den Parka-Mänteln – zeigt). Damit standen die Mods nicht nur jenseits dissidenter Provokationen der Punks und »Anarchos«, nicht nur jenseits der Hafenstraße wie auch der Friedensbewegung, sondern auch jenseits der Popper und ihrem gepflegten kulturmodernistischen Rechtskonservatismus.

Der Stil
Die Mods, wenigstens die Mods der Achtziger, waren alles, nur nicht modern. Allerdings waren sie postmodern, nämlich auch in Bezug auf ihre disparaten Versuche, gegen einen katastrophischen Zeitgeist (»Dallas«, »Denver«, Tschernobyl, Wettrüsten, »No Future!«) die Aufstiegsphantasien der Angestellten zu retten, ohne auf Sturm und Drang zu verzichten.

Was der Film zeigt, ist eigentlich trostlos und traurig: Es gibt kaum eine Szene, wo die Jugendlichen sich zueinander solidarisch verhalten; bestenfalls schützen sie das Eigentum der anderen, nämlich die Roller der Freunde. Sie agieren in einer Gesellschaft, in der zunehmend das individuelle Schicksal in den Mittelpunkt rückt. Die Geschichte, nach der sie suchen, ist keine kollektive, sondern eine, bei der lediglich der eigenen, singulären Existenz ein Zeichen gegeben werden soll: ein Zeichen, das beweist, nicht nur da, sondern dabei gewesen zu sein, nichts verpasst zu haben. Die Mode der Mods bildet dabei das geheime Band zur Vergangenheit, die in Momentaufnahmen der Gegenwart wiederholt wird, bei denen man hofft, sich in ihnen zu erkennen. Solche Selbsterkenntnis funktioniert aber nur als Spiegel einer Authentizität eines längst vergangenen Stils, einer Mode, die ohne ihre historische Referenz gar keine Mode ist. So werden die Mods, die Anfang der Sechziger Jahre wahre Modernisten waren, in ihrem Revival unmodern und antimodern, ja altmodisch. Wenn alles eine Frage des Stils ist, kann der Stil selbst auf diese Frage nicht mehr die Antwort sein; Stil löst sich in Ausdruck auf. Rituale können widerständig sein; Widerstand kann aber nicht ritualisiert werden.

Anmerkungen

  1. Hebdige, »The Meaning of Mod«, in: Stuart Hall & Tony Jefferson (Hg.), »Resistance through Rituals. Youth subcultures in post-war Britain«, London 1993, S. 88 f.
  2. Siehe dazu: Hanno Plass’ Rezension über Horst A. Friedrichs »I‘m One. 21st Century Mods«.
  3. Vgl. Hall & Jefferson (Hg.), »Resistance through Rituals«, a.a.O. Das Buch gibt es auch hier und hier
  4. Hebdige, »The Meaning of Mod«, in: Hall & Jefferson (Hg.), »Resistance through Rituals«, a.a.O., S. 94.
  5. Die Mods setzten in ihrer Haltung fort, was sich im neunzehnten Jahrhundert mit Bohemiens und Dandys entwickelte und dann massenkulturell mit den Hipstern in den USA der 1940er ausweitete. Einiges von Mod-Haltung zeigt sich überdies wieder bei den gegenwärtigen Hipstern. Vgl. Robert Zwargs »Distinktion und Entgrenzung: Der Hipster als Sozialtypus«
  6. Vgl. Alan Clayson, »Hamburg. The Cradle of british Rock«, London 1997.
  7. Bei einem »Tatort« von 1985 – »Baranskis Geschäft«, ein recht spannend aufgezogene Agenten-Film in der Regie von Jürgen Roland, der es ohne weiteres mit einem Thriller von Henri Verneuil aufnehmen könnte – fällt auf: die Schäbigkeit der Postmoderne. Es zeigt sich, was vielleicht erst der Rückblick deutlich macht, dass den Achtzigern das Leuchtende, Strahlende, Glanzvolle fehlt, gerade in der als Ausdruck der Postmoderne geltenden Architektur. Der Film spielt in Wien, Genf, Zürich, Bonn, Hamburg. Es werden zahlreiche Flughäfen, Konferenzzimmer, Behördenbüros etc., also Verkehrsräume einer spätkapitalistischen Gesellschaft gezeigt, die sich im Design ihrer Fassade, in Formen und Farbwahl so präsentieren, als sei eine Welt im Verschwinden begriffen, als sollte sie im Nachhinein nicht mehr erkennbar sein. Den Flächen fehlt es an Schwingungen und Wölbungen, alles ist gerade und eben, aber die Ecken sind abgerundet. Helle Farben verbleichen in Pastelltönen, es dominieren dunkle Braun‑ und Grüntöne. Ein Manierismus aus Plastik. Die Natur – Holz, Bast, Korg etc. – kommt als Imitation zurück, als Kunststofffurnier und Laminat, als Klebefolie und Strukturtapete. Zunehmend geht Festigkeit und Schwere verloren, der Kern der Dinge ist aus Styropor. Die Mattheit und Grobkörnigkeit des Bildmaterials unterstreicht das.

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